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cute mønstr: Nerd Shirts
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 Midnight Sun
Julia Cullen Offline

Volturi /Admin


Beiträge: 406

07.02.2010 23:03
10. Kapitel: Theorie Antworten

„Kann ich dir noch eine Frage stellen?“ bat sie, statt auf meine Aufforderung zu antworten.
Ich war hellhörig und rechnete mit dem schlimmsten. Und dennoch, wie verführerisch es war, diesen Moment noch länger hinauszuzögern. Bella freiwillig für noch ein paar Sekunden länger bei mir zu haben. Ich seufzte bei dem Dilemma und sagte, „Eine.“
„Naja…,“ sie zögerte für einen Moment als ob sie erst darüber nachdenken musste, welche Frage sie stellen wollte. „Du hast gesagt, du wusstest, dass ich nicht in den Buchladen gegangen bin und dass ich nach Süden gegangen bin. Ich hab mich nur gefragt, woher du das gewusst hast.“
Ich warf einen kurzen Blick durch die Windschutzscheibe. Wieder eine Frage, die nichts von ihr preisgab, aber viel zu viel von mir.
„Ich dachte wir hätten die Ausflüchte hinter uns,“ sagte sie in kritischem, enttäuschtem Ton.
Wie ironisch. Sie war absolut ausweichend ohne es überhaupt zu versuchen.
Naja, sie wollte dass ich direkt war. Und bedauerlicherweise führte diese Beziehung in keine gute Richtung.
„Na gut, also,“ sagte ich. „Ich bin deinem Geruch gefolgt.“
Ich wollte ihr Gesicht sehen, aber ich hatte Angst davor, was ich wohl sehen würde. Stattdessen lauschte ich wie ihr Atem schneller und dann wieder normal wurde. Nach einer Weile sprach sie wieder und ihre Stimme war fester als ich erwartet hatte.
„Und dann hast du eine meiner ersten Fragen noch nicht beantwortet…“ sagte sie.
Ich schaute sie stirnrunzelnd an. Sie versuchte auch Zeit zu schinden.
„Welche?“
„Wie funktioniert das – mit dem Gedankenlesen?“ wiederholte sie ihre Frage aus dem Restaurant. „Kannst du von jedem die Gedanken lesen, überall? Wie machst du das? Kann der Rest deiner Familie…?“ sie brach ab und errötete wieder.
„Das ist mehr als eine,“ sagte ich.
Sie sah mich nur an und wartete auf ihre Antworten.
Warum sollte ich sie ihr nicht geben? Sie hatte schon so viel erraten und es war ein einfacheres Thema als das was drohend näher rückte.
„Nur ich kann Gedanken lesen. Aber ich kann auch nicht jeden überall hören. Ich muss ungefähr in der Umgebung sein. Je bekannter die `Stimme` ist, umso weiter entfernt kann ich sie hören. Aber nicht mehr als ein paar Meilen weit.“ Ich versuchte es so zu beschreiben, dass sie es verstand. Versuchte etwas zu finden, womit ich es vergleichen konnte. „Es ist ein bisschen so, als würde man in einer riesigen Halle stehen voller Leute und alle reden gleichzeitig. Es ist nur ein Summen – ein Meer von Stimmen im Hintergrund. Bis ich mich auf eine Stimme konzentriere, dann werden diese Gedanken klar. Meistens blende ich alles aus – es kann sehr ablenkend sein. Außerdem ist es dann einfacher normal zu wirken,“ – ich schnitt eine Grimasse – „wenn ich nicht aus Versehen die Gedanken von jemandem beantworte statt seine Worte.“
„Warum glaubst du kannst du mich nicht hören?“ wunderte sie sich.
Ich gab ihr eine weitere Wahrheit und einen weiteren Vergleich.
„Ich weiß es nicht,“ gab ich zu. „Ich vermute, dass dein Gehirn nicht genauso arbeitet wie das der anderen. Als würden deine Gedanken auf UKW gesendet, aber ich kann nur KW empfangen.“
Ich bemerkte, dass sie diesen Vergleich nicht mögen würde. Die Erwartung ihrer Reaktion brachte mich zum lächeln. Sie enttäuschte mich nicht.
„Mein Gehirn funktioniert nicht richtig?“ fragte sie und hob verärgert ihre Stimme. „Ich bin also ein Freak?“
Ah, die Ironie wieder.
„Ich höre Stimmen in meinem Kopf und du glaubst, du wärst der Freak?“ Ich lachte. Sie verstand all die kleinen Dinge, aber die großen verstand sie immer falsch. Immer die falschen Instinkte…
Bella nagte an ihrer Unterlippe und die Falte zwischen ihren Augen war sehr tief.
„Keine Sorge,“ versicherte ich ihr. „Es ist nur eine Theorie…“ und es gab eine viel wichtigere Theorie zu besprechen. Ich konnte es nicht erwarten, das endlich hinter mich zu bringen. Jede Sekunde die verstrich fühlte sich immer mehr wie gestohlene Zeit an.
„Was uns wieder zu dir zurück bringt,“ sagte ich zwiegespalten, einerseits ängstlich, andererseits wiederstrebend.
Sie seufzte und kaute immer noch auf ihrer Lippe herum – ich machte mir sorgen, dass sie sich verletzen könnte. Sie schaute mir mit aufgewühltem Gesichtsausdruck in die Augen.
„Haben wir die Ausflüchte nicht alle hinter uns gelassen?“ fragte ich leise.
Sie senkte den Blick und schien einen inneren Kampf zu führen. Plötzlich versteifte sie sich und riss erschrocken die Augen auf. Das erste Mal stand ihr die Angst ins Gesicht geschrieben.
„Heilige Scheiße!“ japste sie.
Ich bekam Panik. Was hatte sie gesehen? Wie hatte ich sie verängstigt?
Dann rief sie, „Fahr langsamer!“
„Was ist los?“ Ich verstand nicht woher ihre Angst kam.
„Du fährst fast 100 Meilen pro Stunde!“ brüllte sie mich an. Sie warf einen kurzen Blick aus dem Fenster und schrak vor den vorbeirasenden Bäumen zurück.
Das bisschen Geschwindigkeit ließ sie vor Angst aufschreien?
Ich verdrehte meine Augen. „Entspann dich Bella.“
„Willst du uns umbringen?“ warf sie mir mit hoher angespannter Stimme vor.
„Es wird schon nichts passieren,“ versprach ich ihr.
Sie atmete tief ein und sprach dann etwas ruhiger weiter. „Warum hast du es so eilig?“
„Ich fahre immer so.“
Amüsiert von ihrem geschockten Gesichtsausdruck erwiderte ich ihren Blick.
„Schau auf die Straße!“ rief sie.
„Ich hatte noch nie einen Unfall, Bella. Ich hab noch nicht einmal einen Strafzettel bekommen.“ Ich grinste sie an und tippte mir an die Stirn. Es machte die Situation noch komischer – es war so absurd mich mit ihr über so etwas Geheimes und seltsames lustig zu machen. „Eingebauter Radardetektor.“
„Sehr witzig,“ sagte sie sarkastisch, ihre Stimme klang eher ängstlich als sauer. „Charlie ist Polizist, du erinnerst dich? Ich bin dazu erzogen worden, mich an Verkehrsregeln zu halten. Abgesehen davon, wenn du uns vor einen Baum fährst, kannst du wahrscheinlich einfach aussteigen und weggehen.“
„Wahrscheinlich,“ wiederholte ich und lachte humorlos. Ja, wir würden wohl einen sehr unterschiedlichen Preis zahlen müssen bei einem Autounfall. Ich konnte verstehen, dass sie Angst hatte, trotz meiner Qualitäten als Autofahrer… „Aber du nicht.“
Mit einem Seufzer senkte ich die Geschwindigkeit. „Zufrieden?“
Sie warf einen Blick auf den Tacho. „Fast.“
„Genug Kommentare zu meinem Fahrstil,“ sagte ich ungeduldig. Wie oft war sie meiner Frage jetzt ausgewichen? Dreimal? Vier? Waren ihre Spekulationen so Schrecklich? Ich musste es wissen – sofort. „Ich warte immer noch auf deine neueste Theorie.“
Sie biss sich wieder auf die Lippe und sah bedrückt aus, fast schon als hätte sie Schmerzen.
Ich versuchte meine Ungeduld zu beherrschen und meine Stimme weicher klingen zu lassen. Ich wollte sie nicht beunruhigen.
„Ich werde nicht lachen,“ versprach ich, in der Hoffnung, dass sie nur vor Scham nicht sprechen wollte.
„Ich habe eher Angst dass du sauer auf mich sein könntest,“ flüsterte sie.
Ich hatte Mühe meine Stimme zu kontrollieren. „Ist es so schlimm?“
„Ziemlich, ja.“
Sie schaute nach unten und wich meinem Blick aus. Die Sekunden verstrichen.
„Schieß los,“ ermutigte ich sie.
Sie antwortete kleinlaut, „Ich wo nicht wie ich anfangen soll.“
„Wieso fängst du nicht am Anfang an?“ Ich erinnerte mich an ihre Worte vor dem Essen. „Du sagtest du wärst nicht allein drauf gekommen.“
„Nein,“ stimmte sie zu und war dann wieder still.
Ich versuchte mir zu überlegen, was sie inspiriert haben könnte. „Wie bist du darauf gekommen – ein Buch? Ein Film?“
Ich hätte ihre Sammlung durchsehen sollen, als sie nicht zu Hause war. Ich hatte keine Ahnung, ob Bram Stoker oder Anne Rice bei ihren abgegriffenen Büchern lagen…
„Nein,“ sagte sie wieder. „Es war am Samstag, am Strand.“
Damit hatte ich nicht gerechnet. Der lokale Klatsch und Tratsch über uns war nie besonders bizarr gewesen – oder präzise. Gab es ein neues Gerücht, dass ich verpasst hatte? Bella spähte von ihren Händen auf und sah meinen Überraschten Gesichtsausdruck.
„Ich hab einen alten Freund der Familie getroffen – Jacob Black,“ fuhr sie fort. „Sein Vater und Charlie sind schon befreundet seit ich ein Baby war.“
Jacob Black – der Name war mir nicht bekannt und dennoch erinnerte er mich an etwas… vor langer Zeit… ich schaute gerade aus durch die Windschutzscheibe und durchforstete meine Erinnerungen um die Verbindung zu finden.
„Sein Vater ist einer der Ältesten von den Quileute,“ sagte sie.
Jacob Black. Ephraim Black. Ein Nachfahre, kein Zweifel.
Es war so schlimm wie es nur kommen konnte.
Sie kannte die Wahrheit.
In Gedanken ging ich die Konsequenzen durch während der Wagen durch die schwarzen Kurven der Straße flog, mein Körper war starr vor Angst – bewegungslos abgesehen von den kleinen automatischen Aktionen die nötig waren um den Wagen zu steuern.
Sie kannte die Wahrheit.
Aber… wenn sie die Wahrheit am Samstag erfahren hatte… dann kannte sie sie schon den ganzen Abend… und dennoch…
„Wir sind spazieren gegangen,“ erzählte sie weiter. „Und er hat mir von ein paar alten Legenden erzählt – er wollte mir ein bisschen Angst machen, denke ich. Er erzählte mir eine…“
Sie hielt kurz inne, aber es gab keinen Grund mehr für Skrupel; ich wusste, was sie sagen würde. Das einzige Geheimnis das es noch zu lüften galt war das, warum sie jetzt und hier bei mir war.
„Erzähl weiter,“ sagte ich.
„Über Vampire,“ hauchte sie, ihre Stimme war kaum mehr ein Flüstern.
Irgendwie war es noch schlimmer, sie das Wort aussprechen zu hören, als zu wissen, dass sie die Wahrheit kannte. Ich schrak bei dem Ausdruck zurück, hatte mich aber schnell wieder in der Gewalt.
„Und da hast du sofort an mich gedacht?“ fragte ich.
„Nein. Er… hat deine Familie erwähnt.“
Es war pure Ironie, dass ausrechnet der Nachfahre von Ephraim den Vertrag verletzte den er geschworen hatte einzuhalten. Ein Enkel, oder vielleicht Ur-Enkel. Wie viele Jahre war es her? Siebzig?
Ich hätte wissen müssen, dass die Gefahr weniger von dem alten Mann ausging der an die Legenden glaubte. Natürlich, die jüngere Generation – diejenigen die zwar gewarnt wurden, die aber den alten Aberglauben lächerlich fanden – natürlich lag dort die Gefahr der Entlarvung.
Ich vermutete, dass es mir nun erlaubt war, den kleinen Stamm abzuschlachten wenn ich dazu geneigt wäre. Ephraim und sein Rudel von Beschützern waren lange tot…
„Er dacht es wäre bloß ein dummer Aberglaube,“ sagte Bella plötzlich mit einer neuen Angst in der Stimme. „Er hätte nicht gedacht, dass ich irgendetwas davon ernst nehmen würde.“
Aus meinem Augenwinkel sah ich, wie sie unruhig ihre Hände verschränkte.
„Es war mein Fehler,“ sagte sie nach einer kurzen Pause und dann senkte sie ihren Kopf als ob sie sich schämen würde. „Ich habe ihn dazu gebracht es mir zu erzählen.“
„Warum?“ Es war nicht mehr so anstrengend meine Stimme gleichmäßig zu halten. Das schlimmste war bereits geschehen. So lange wir über die Details der Aufdeckung sprachen, mussten wir uns keine Gedanken über ihre Konsequenzen machen.
„Lauren hatte etwas über dich gesagt – sie hatte versucht mich zu provozieren.“ Sie verzog ein bisschen das Gesicht bei der Erinnerung daran. Ich war ein bisschen abgelenkt von der Frage, wie Bella von irgendjemandem provoziert werden konnte, der über mich sprach… „Und ein älterer Junge des Stammes hatte gesagt, dass deine Familie nicht zum Reservat kommen würde, aber es hörte sich so an, als ob er etwas anderes meinte. Also hab ich Jacob beiseite genommen und es aus ihm heraus gekitzelt.“
Sie senkte ihren Kopf noch weiter als sie das zugab und ihr Ausdruck wirkte irgendwie… schuldig.
Ich wand meinen Blick von ihr ab und lachte laut auf. Sie fühlte sich schuldig? Was könnte sie getan haben um irgendeine Art von Tadel zu verdienen?
„Wie hast du es aus ihm heraus gekitzelt?“ fragte ich.
„Ich hab versucht zu flirten – es hat besser geklappt als ich gedacht hätte,“ erklärte sie und ihre Stimme klang ungläubig bei der Erinnerung an ihren Erfolg.
Ich konnte es mir nur vorstellen – wenn man bedachte was für eine Wirkung sie auf alles Männliche in ihrer Umgebung hatte, vollkommen unbewusst von ihrer Seite – wir überwältigend musste sie dann erst sein, wenn sie versuchte attraktiv zu sein. Ich hatte plötzlich Mitleid mit dem armen Jungen auf den sie ihre ganze Naturgewalt losgelassen hatte.
„Das hätte ich zu gern gesehen,“ sagte ich und lachte wieder vor Schadenfreude. Ich wünschte ich hätte die Reaktion des Jungen gesehen, hätte das ganze Ausmaß der Verwüstung mit eigenen Augen bezeugt. „Und du wirfst mir vor, ich würde die Leute blenden – armer Jacob Black.“
Ich war nicht so sauer über die Art meiner Entlarvung wie ich gedacht hätte, dass ich sein würde. Er wusste es einfach nicht besser. Und wie konnte ich von irgendjemandem erwarten, dass er diesem Mädchen irgendeinen Wunsch verwehrte? Nein, ich hatte nur Mitleid aufgrund des Schadens den sie diesem unschuldigen Geist zugefügt haben mochte.
Ich spürte wie ihr Erröten die Luft zwischen uns aufheizte. Ich sah zu ihr herüber und sie schaute aus dem Fenster. Sie sprach nicht weiter.
„Was hast du dann gemacht?“ fragte ich. Zeit um zu der Horrorgeschichte zurückzukehren.
„Ich hab ein bisschen im Internet nachgeforscht.“
Immer wieder praktisch. „Und hat dich das überzeugt?“
„Nein,“ sagte sie. „Nichts passte. Das meiste war eher albern. Und dann…“
Sie brach ab und ich hörte wie sie ihre Zähne zusammenbiss.
„Was?“ verlangte ich. Was hatte sie gefunden? Was an diesem Albtraum hatte einen Sinn für sie ergeben?
Nach einer kurzen Pause flüsterte, „Ich hab beschlossen, dass es egal ist.“
Für den Bruchteil einer Sekunde waren meinen Gedanken erstarrt und plötzlich passte alles zusammen. Weshalb sie ihre Freunde weggeschickt hatte, statt mit ihnen zu flüchten. Warum sie wieder zu mir ins Auto gestiegen war, statt wegzurennen und nach der Polizei zu rufen…
Ihre Reaktionen waren immer falsch – immer absolut falsch. Sie zog die Gefahr an. Sie lud sie ein.
„Es ist egal?“ presste ich durch meine Zähne und Wut stieg in mir auf. Wie sollte ich jemanden beschützen der so… so… so entschlossen war ungeschützt zu sein?
„Ja,“ sagte sie leise mit einer Stimme die unglaublich weich klang. „Es ist mir egal, was du bist.“
Sie war unglaublich.
„Es ist macht dir nichts aus, dass ich ein Monster bin? Dass ich kein Mensch bin?“
„Nein.“
Ich fing an mich zu fragen, ob sie wirklich gesund war.
Ich könnte die beste Pflege für sie arrangieren… Carlisle hatte die nötigen Verbindungen um ihr die besten Ärzte zu besorgen, die talentiertesten Therapeuten. Vielleicht konnte man irgendetwas tun um was immer mit ihr nicht stimmte zu heilen, was immer es war, dass es ihr ermöglichte neben einem Vampir zu sitzen mit einem absolut ruhigen und gleichmäßigen Puls. Ich würde ihre Behandlung selbstverständlich überwachen und sie so oft besuchen wie es mir erlaubt war…
„Du bist sauer,“ seufzte sie. „Ich hätte besser nichts gesagt.“
Als ob es einem von uns geholfen hätte, wenn sie diese störende Tatsache verschwiegen hätte.
„Nein. Ich möchte gerne wissen, was du denkst – auch wenn, was du denkst vollkommen verrückt ist.“
„Also liege ich wieder falsch?“ fragte sie in einem etwas streitlustigen Tonfall.
„Das habe ich damit nicht gemeint!“ Ich biss wieder die Zähne zusammen. „`Es ist egal`!“ wiederholte ich bissig.
Sie japste. „Ich hab also recht?“
„Ist das wichtig?“ konterte ich.
Sie atmete tief durch. Ich wartete wütend auf ihre Antwort.
„Nicht wirklich,“ sagte sie mit kontrollierter Stimme. „Aber ich bin neugierig.“
Nicht wirklich. Es war nicht wirklich wichtig. Es war ihr egal. Sie wusste dass ich kein Mensch war, ein Monster, es war ihr nicht wirklich wichtig.
Abgesehen von meinen Zweifeln an ihrer geistigen Zurechnungsfähigkeit, fühlte ich einen leichten Anflug von Hoffnung. Ich versuchte sie zu unterdrücken.
„Was möchtest du wissen?“ fragte ich sie. Es gab keine Geheimnisse mehr nur noch unwichtige Details.
„Wie alt bist du?“ fragte sie.
Meine Antwort kam automatisch und war tief verwurzelt. „Siebzehn.“
„Und wie lange bist du schon Siebzehn?“
Ich versuchte nicht zu lächeln bei ihrem herablassenden Tonfall. „Eine Weile,“ gab ich zu.
„Okay,“ sagte sie plötzlich enthusiastisch. Sie lächelte mich an. Als ich ihren Blick erwiderte, wieder an ihrer geistigen Zurechnungsfähigkeit zweifelnd, lächelte sie noch breiter. Ich verzog das Gesicht.
„Lach jetzt nicht,“ warnte sie. „Aber wie kommt es, dass du bei Tageslicht rausgehen kannst?“
Ich lachte trotz ihrer Bitte. Es sah so aus als hätten ihre Nachforschungen nichts Unnormales ergeben. „Mythos,“ erklärte ich ihr.
„Ihr verbrennt nicht in der Sonne?“
„Mythos.“
„Ihr schlaft nicht in Särgen?“
„Mythos.“
Schlaf war schon so lange kein Teil meines Lebens mehr – zumindest nicht bis zu den letzten paar Nächten in denen ich Bella beim Träumen beobachtet hatte…
„Ich kann nicht schlafen,“ murmelte ich und beantwortete ihre Frage damit ausführlicher.
Sie war für einen Moment still.
„Gar nicht?“ fragte sie.
„Nie,“ flüsterte ich.
Ich schaute in ihre Augen, geweitet unter den geschwungenen Wimpern und sehnte mich danach schlafen zu können. Nicht um zu vergessen, nicht um der Langeweile zu entfliehen, sondern weil ich träumen wollte. Wenn ich bewusstlos wäre, wenn ich träumen könnte, dann könnte ich für ein paar Stunden in einer Welt leben wo sie und ich zusammen sein konnten. Sie träumte von mir. Ich wollte von ihr träumen.
Sie schaute mich mit verwundertem Gesichtsausdruck an. Ich musste wegschauen.
Ich konnte nicht von ihr träumen. Sie sollte nicht von mir träumen.
„Du hast mir die wichtigste aller Fragen noch nicht gestellt,“ sagte ich, meine stumme Brust war noch kälter und härter als zuvor. Sie musste endlich verstehen. An irgendeinem Punkt musste sie merken, was sie hier gerade tat. Sie musste verstehen, dass das alles wichtig war – wichtiger als alle anderen Überlegungen. Überlegungen wie die Tatsache, dass ich sie liebte.
„Und welche ist das?“ fragte sie überrascht und ahnungslos.
Dadurch wurde meine Stimme nur noch härter. „Machst du dir keine Sorgen um meine Ernährung?“
„Oh. Das.“ Sie sprach leise und ich wusste es nicht einzuschätzen.
„Ja, das. Willst du nicht wissen, ob ich Blut trinke?“
Sie zuckte zurück bei meiner Frage. Endlich. Sie verstand.
„Naja, Jacob hatte etwas darüber gesagt,“ sagte sie.
„Was hat Jacob gesagt?“
„Er sagte, dass ihr keine… Menschen jagt. Er sagte deine Familie galt nicht als gefährlich weil ihr nur Tiere jagt.“
„Er sagte, wir wären nicht gefährlich?“ wiederholte ich zynisch.
„Nicht genau,“ korrigierte sie. „Er sagte, dass ihr nicht als gefährlich galtet. Aber die Quileutes wollen euch trotzdem lieber nicht auf ihrem Land haben, zur Sicherheit.“
Ich starrte auf die Straße, meine Gedanken waren hoffnungslos verknotet, meine Kehle schmerzte vor bekanntem brennendem Durst.
„Also, hat er recht?“ fragte sie, so locker als würde sie nach dem Wetterbericht fragen. „Dass ihr keine Menschen jagt?“
„Die Quileutes haben ein langes Gedächtnis.“
Sie nickte und dachte scharf nach.
„Aber gib dich damit nicht zufrieden,“ sagte ich schnell. „Sie haben recht, wenn sie sich von uns fernhalten. Wir sind immer noch gefährlich.“
„Das verstehe ich nicht.“
Nein, natürlich nicht. Wie sollte ich es ihr erklären?
„Wir versuchen es,“ erklärte ich ihr. „Normalerweise sind wir sehr gut darin. Manchmal machen wir Fehler. Ich zum Beispiel in dem ich mir erlaube mit dir allein zu sein.“
Ihr Duft war immer noch präsent im Auto. Ich gewöhnte mich daran, ich konnte ihn fast ignorieren, aber ich konnte nicht leugnen, dass mein Körper sich immer noch aus den falschen Gründen nach ihr sehnte. Mein Mund war gefüllt mit Gift.
„Das ist ein Fehler?“ fragte sie mit Schmerz und Trauer in der Stimme. Dieser Klang entwaffnete mich. Sie wollte mit mir zusammen sein – trotz allem wollte sie mit mir zusammen sein.
Hoffnung keimte erneut auf und ich erstickte sie.
„Ein sehr gefährlicher,“ sagte ich ihr ehrlich und wünschte mir, dass diese Ehrlichkeit bewirkte, dass es ihr etwas ausmachte.
Sie antwortete zunächst nicht. Ich hörte wie sich ihre Atmung änderte – sie beschleunigte sich auf seltsame Weise die sich nicht nach Angst anhörte.
„Erzähl mir mehr,“ sagte sie plötzlich mit vor Schmerz bebender Stimme.
Ich beobachtete sie aufmerksam.
Sie hatte Schmerzen. Wie hatte ich das zulassen können?
„Was möchtest du denn noch wissen?“ fragte ich sie und überlegte wie ich es vermeiden konnte, sie noch mehr zu verletzen.
„Erzähl mir warum ihr Tiere statt Menschen jagt,“ sagte sie, immer noch gequält.
War das nicht offensichtlich? Oder vielleicht war ihr das auch egal.
„Ich möchte kein Monster sein,“ murmelte ich.
„Aber Tiere reichen nicht?“
Ich dachte über einen weiteren Vergleich nach, einen den sie verstehen würde. „Ich kann es natürlich nicht mit Sicherheit sagen, aber ich würde es mit einer Ernährung auf Tofu und Soja-Basis vergleichen; wir nennen uns selbst Vegetarier, ein kleiner Insider Witz. Es stillt den Hunger nicht vollkommen – oder besser den Durst. Aber es macht uns stark genug um zu wiederstehen. Meistens.“ Ich wurde leiser; ich schämte mich dafür sie in Gefahr gebracht zu haben. Eine Gefahr die ich immer noch zuließ… „Zu manchen Zeiten ist es schwerer als zu anderen.“
„Ist es jetzt sehr schwer für dich?“
Ich seufzte. Natürlich würde sie die Frage stellen, die ich nicht beantworten wollte. „Ja,“ gab ich zu.
Diesmal lag ich richtig was meine Erwartungen an ihre Reaktion betraf: ihr Atem blieb gleichmäßig, ihr Herz schlug normal weiter. Ich erwartete es, aber ich verstand es nicht. Wieso hatte sie keine Angst?
„Aber jetzt bist du nicht hungrig,“ stellte sie fest und war sich ihrer vollkommen sicher.
„Wieso glaubst du das?“
„Deine Augen,“ sagte sie ohne weiteres. „Ich hab dir gesagt, ich hätte eine Theorie. Ich habe festgestellt, dass Menschen – Männer speziell – schlechter gelaunt sind, wenn sie Hunger haben.“
Ich lachte innerlich über ihren Ausdruck: schlecht gelaunt. Das war weit untertrieben. Aber sie lag vollkommen richtig, wie immer. „Du bist sehr aufmerksam, nicht war?“ ich lachte wieder.
Sie lächelten ein bisschen und die Falte zwischen ihren Augen tauchte wieder auf als ob sie sich konzentrierte.
„Warst du dieses Wochenende mit Emmett jagen?“ fragte sie nachdem ich mich beruhigt hatte. Die lässige Art mit der sie darüber sprach war sowohl faszinierend als auch frustrierend. Konnte es wirklich sein, dass sie so viel so einfach verkraftete? Ich war näher an einem Schock als sie
„Ja,“ antwortete ich ihr, und dann, als ich es eigentlich schon dabei belassen wollte, hatte ich wieder das gleiche Bedürfnis wie im Restaurant: Ich wollte dass sie mich kannte. „Ich wollte nicht gehen,“ fuhr ich langsam fort, „aber es war nötig. Es ist einfacher in deiner Nähe zu sein, wenn ich nicht durstig bin.“
„Warum wolltest du nicht gehen?“
Ich atmete tief ein und erwiderte dann ihren Blick. Diese Art der Ehrlichkeit war auf eine andere Art und Weise schwierig.
„Ich fühle mich nicht wohl…“ ich denke, dieser Ausdruck trifft es am besten, obwohl er nicht stark genug war, „wenn ich nicht in deiner Nähe bin. Es war kein Scherz als ich letzten Donnerstag zu dir sagte, dass du nicht ins Meer fallen oder dich von einem Truck überfahren lassen sollst. Ich war das ganze Wochenende abgelenkt weil ich mir Sorgen um dich gemacht habe. Und nachdem was heute Abend passiert ist, bin ich überrascht, dass du das Wochenende unbeschadet überstanden hast.“ Dann erinnerte ich mich an die Kratzer auf ihren Handflächen. „Naja, nicht ganz unbeschadet,“ ermahnte ich.
„Was?“
„Deine Hände,“ erinnerte ich sie.
Sie seufzte und verzog das Gesicht. „Ich bin hingefallen.“
Ich hatte richtig geraten. „Das hab ich mir gedacht,“ sagte ich, nicht in der Lage mein Lächeln zu verbergen. „So wie ich dich kenne, hätte es schlimmer kommen können – und diese Möglichkeit hat mich das ganze Wochenende gequält. Es waren sehr lange drei Tage. Ich bin Emmett ganz schön auf die Nerven gegangen.“ Ehrlichgesagt, war das immer noch der Fall. Ich verwirrte Emmett sicher immer noch und den Rest meiner Familie ebenso. Abgesehen von Alice…
„Drei Tage?“ fragte sie mit plötzlich scharfer Stimme. „Seid ihr nicht erst heute zurück gekommen?“
Ich verstand ihren Tonfall nicht. „Nein, wir sind am Sonntag zurückgekommen.“
„Warum war dann keiner von euch in der Schule?“ verlangte sie zu wissen. Ihre Aggression verwirrte mich. Sie schien nicht zu verstehen, dass diese Frage wieder etwas mit Mythologie zu tun hatte.
„Naja, du hattest gefragt, ob die Sonne mich verletzt und das tut sie nicht,“ sagte ich. „Aber ich kann trotzdem nicht raus gehen wenn die Sonne scheint, zumindest nirgendwohin wo man mich sehen kann.“
Das lenkte sie von ihrer mysteriösen Verstimmung ab. „Warum?“ fragte sie und lehnte ihren Kopf zur Seite.
Ich bezweifelte, dass ich einen ausreichenden Vergleich finden würde um das zu erklären. Also sagte ich ihr nur, „Ich werd’s dir irgendwann zeigen.“ Und dann fragte ich mich ob das ein Versprechen war, dass ich vielleicht würde brechen müssen. Würde ich sie nach dieser Nacht wiedersehen? Liebte ich sie schon genug um sie verlassen zu können?
„Du hättest anrufen können,” sagte sie.
Was für eine seltsame Aufforderung. „Aber ich wusste doch dass du sicher bist.“
„Aber ich wusste nicht, wo du warst. Ich…“ sie brach ab und starrte auf ihre Hände.
„Was?“
„Ich mochte es nicht,“ sagte sie schüchtern und die Haut über ihren Wangenknochen wurde wieder warm. „dich nicht zu sehen. Es macht mir auch angst.“
Bist du jetzt zufrieden? Wollte ich von mir selbst wissen. Naja, hier war die Belohnung für all meine Hoffnungen.
Ich war verwirrt, begeistert, entsetzt – am meisten entsetzt – davon dass alle meine wildesten Träume gar nicht so abwegig waren. Deshalb machte es ihr nichts aus, dass ich ein Monster war. Es war der gleiche Grund weshalb mir die Regeln egal waren. Warum richtig und falsch keinen Einfluss mehr auf mich hatten. Warum all meine Prioritäten um eins nach unten gerutscht sind um an oberster Stelle Platz für dieses Mädchen zu schaffen.
Bella mochte mich auch.
Ich wusste, dass es nichts im Vergleich zu meiner Liebe für sie war. Aber es war genug für sie um ihr Leben zu riskieren um hier neben mir zu sitzen. Und es gern zu tun.
Genug um ihr Schmerzen zu bereiten, wenn ich das richtige tat und sie verließ.
Gab es irgendetwas das ich jetzt noch tun konnte, dass sie nicht verletzen würde? Überhaupt irgendetwas?
Ich hätte weg bleiben sollen. Ich hätte nie wieder nach Forks zurückkommen sollen. Ich würde ihr nur Schmerzen bereiten.
Würde mich das davon abhalten jetzt zu bleiben? Es noch schlimmer zu machen?
So wie ich mich jetzt fühlte, ihre Wärme auf meiner Haut spürte…
Nein. Nichts würde mich davon abhalten.
„Ah,“ brummte ich zu mir selbst. „Das ist falsch.“
„Was hab ich gesagt?“ fragte sie schnell um die Schuld auf sich zu nehmen.
„Siehst du es nicht, Bella? Es ist eine Sache, wenn ich mich unglücklich mache, aber eine ganz andere, wenn du so tief drinsteckst. Ich möchte nicht hören, dass du so fühlst.“ Es war die Wahrheit, es war eine Lüge. Der egoistische Teil von mir machte Luftsprünge bei dem Wissen, dass sie mich genauso wollte wie ich sie wollte. „Es ist falsch. Es ist nicht sicher. Ich bin gefährlich, Bella – bitte versteh das.“
„Nein.“ Sie schob schmollend ihre Lippen vor.
„Ich meine es ernst.“ Ich kämpfte so stark mit mir – zum einen wollte ich verzweifelt, dass sie es akzeptierte und zum anderen genauso verzweifelt dass sie sich von meinen Warnungen nicht in die Flucht schlagen ließ – dass die Worte wie ein Knurren zwischen meinen Zähnen hervorkamen.
„Ich mein es auch ernst,“ gab sie zurück. „Ich hab dir gesagt, es ist mir egal was du bist. Es ist zu spät.“
Zu spät? Alices Vision schwirrte in meinem Kopf, Bellas blutrote Augen starrten mich unverwandt an. Ausdruckslos – aber es war ausgeschlossen, dass sie mich für diese Zukunft nicht hassen würde. Mich dafür hasste, dass ich ihr alles genommen hatte. Ihr ihr Leben und ihre Seele gestohlen hatte.
Es konnte nicht zu spät sein.
„Sag das niemals,“ zischte ich.
Sie starrte aus ihrem Fenster und biss sich wieder auf die Lippe. Ihre Hände waren in ihrem Schoss zu Fäusten geballt. Ihr Atem stockte und brach ab.
„Was denkst du?“ Ich musste es wissen.
Sie schüttelte den Kopf ohne mich anzusehen. Ich sah etwas Glitzerndes auf ihrer Wange, wie ein Kristall.
Qual. „Weinst du?“ Ich hatte sie zum Weinen gebracht. So sehr hatte ich sie verletzt.
Sie wischte die Träne mit ihrem Handrücken ab.
„Nein,“ log sie mit brüchiger Stimme.
Ein lange begrabener Instinkt bewirkte, dass ich meine Hand nach ihr ausstreckte – in dieser einen Sekunde fühlte ich mich menschlicher als jemals zuvor. Und dann erinnerte ich mich daran, dass ich es… nicht war. Und ich ließ meine Hand sinken.
„Es tut mir leid,“ sagte ich und biss meine Zähne zusammen. Wie konnte ich ihr jemals sagen wie leid es mir tat? All die dummen Fehler die ich begangen hatte. Mein unendlicher Egoismus. Dass sie die unglückliche war, die meine erste tragische Liebe entfachte. Auch die Dinge, die ich nicht kontrollieren konnte – dass ich das Monster war, dass von Schicksal dazu auserkoren war, ihr Leben zu beenden. Das alles tat mir so leid.
Ich atmete tief durch – ignorierte meine elende Reaktion auf den Duft im Auto – und versuchte mich zusammen zu reißen.
Ich wollte das Thema wechseln, an etwas anderes denken. Glücklicherweise war meine Neugierde bzgl. des Mädchens unerschöpflich. Ich hatte immer eine Frage.
„Sag mir mal eins,“ sagte ich
„Ja?“ fragte sie mit tränenerstickter Stimme.
„Was hast du gedacht, bevor ich um die Ecke kam? Ich hab deinen Gesichtsausdruck nicht verstanden – du sahst nicht besonders ängstlich aus, eher als würdest du dich stark konzentrieren.“ Ich erinnerte mich an ihr Gesicht – zwang mich dazu nicht daran zu denken, durch wessen Augen ich es gesehen hatte – den Ausdruck wilder Entschlossenheit darin.
„Ich habe versucht mich daran zu erinnern, wie man einen Angreifer unschädlich macht,“ sagte sie mit gefassterer Stimme. „du weißt schon, Selbstverteidigung. Ich wollte ihm seine Nase in sein Gehirn rammen.“ Ihre Fassung hielt nicht an bis zum Ende ihrer Erklärung. Ihr Tonfall änderte sich bis er hasserfüllt war. Es war keine Übertreibung und ihre Kätzchenhafte Wut hatte dieses Mal nichts Amüsantes. Ich konnte ihre zerbrechliche Figur sehen – Seide über Glas – überschattet von den großen kräftigen menschlichen Monstern die sie verletzt hätten. Die Wut kochte in meinem Hinterkopf auf.
„Du wolltest mit ihnen kämpfen?“ ich wollte stöhnen. Ihre Instinkte waren lebensgefährlich – für sie selbst. „Hast du nicht daran gedacht wegzurennen?“
„Ich falle oft hin, wenn ich renne,“ sagte sie kleinlaut.
„Was ist mit schreien?“
„Dazu wollte ich gerade kommen.“
Ich schüttelte ungläubig meinen Kopf. Wie hatte sie es geschafft am Leben zu bleiben bevor sie nach Forks kam?
„Du hattest recht,“ sagte ich zu ihr mit einem bitteren Unterton. „Ich fordere wirklich das Schicksal heraus wenn ich versuche dich zu beschützen.“
Sie seufzte und warf einen Blick aus dem Fenster. Dann sah sie mich wieder an.
„Sehe ich dich morgen?“ fragte sie plötzlich.
So lange ich auf dem Weg in die Hölle war – ich würde die Reise genießen.
„Ja – ich muss auch noch einen Aufsatz abgeben.“ Ich lächelte sie an und es fühlte sich gut an das zu tun. „Ich halte dir in der Pause einen Platz frei.“
Ihr Herz flatterte; mein totes Herz fühlte sich plötzlich wärmer an.
Ich hielt vor dem Haus ihres Vaters an. Sie machte keine Anstalten mich zu verlassen.
„Versprichst du mir, dass du morgen da sein wirst?“ beharrte sie.
„Ich verspreche es.“
Wieso machte es mich so glücklich das falsche zu tun? Es musste etwas Falsches daran sein.
Sie nickte zufrieden und fing an meine Jacke auszuziehen.
„Du kannst sie behalten,“ bot ich ihr schnell an. Ich wollte ihr gerne etwas von mir dalassen. Ein Andenken, so wie der Flaschendeckel, der jetzt in meiner Tasche steckte… „Du hast keine Jacke für morgen.“
Sie gab mir die Jacke zurück und lächelte mich reumütig an. „Ich möchte es Charlie nicht erklären müssen,“ erklärte sie mir.
Das konnte ich mir vorstellen. Ich lächelte sie an. „Oh, stimmt.“
Sie legte ihre Hand an den Türgriff und hielt inne. Sie wollte genauso wenig gehen, wie ich sie gehen lassen wollte.
Sie ungeschützt zu lassen, auch nur für wenige Augenblicke…
Peter und Charlotte waren schon lange auf dem Weg, weit hinter Seattle, kein Zweifel. Aber es gab immer noch andere. Diese Welt war kein sicherer Ort für einen Menschen und für sie wirkte sie noch gefährlicher als für irgendjemanden sonst.
„Bella?“ fragte ich, überrascht von dem befriedigenden Gefühl dass ich verspürte wenn ich nur ihren Namen aussprach.
„Ja?“
„Versprichst du mir etwas?“
„Ja,“ stimmte sie bereitwillig zu und dann verengte sie ihre Augen als ob sie über einen Grund nachdachte meine Bitte abzuschlagen.
„Geh nicht alleine in den Wald.“ Warnte ich sie und fragte mich, ob diese Bitte etwas wäre, das sie lieber abschlagen würde.
Sie blinzelte verwirrt. „Warum?“
Ich warf einen Blick auf die nicht gerade vertrauenswürdige Dunkelheit. Die Schwärze der Nacht war kein Problem für meine Augen, aber genauso wenig war sie ein Problem für jeden anderen Jäger. Nur Menschen machte sie blind.
„Ich bin nicht immer die größte Gefahr da draußen,“ erklärte ich ihr. „Belassen wir es einfach dabei.“
Sie schüttelte sich, fing sich aber schnell wieder und lächelte sogar als sie sagte, „Was immer du sagst.“
Ihr Atem berührte mein Gesicht, so süß und wohlriechend.
Ich könnte die ganze Nacht so sitzen bleiben, aber sie brauchte ihren Schlaf. Das Verlangen sie zu warnen und das sie zu schützen waren absolut gleichwertig als sie ihren Kampf in mir führten.
Ich seufzte über das Unmögliche. „Wir sehen uns dann morgen,“ sagte ich in dem Bewusstsein, dass ich sie viel früher wiedersehen würde. Aber sie würde mich nicht vor morgen sehen.
„Morgen also,“ stimmte sie zu als sie die Tür öffnete.
Wieder eine Qual sie gehen zu sehen.
Ich lehnte mich zu ihr und wollte sie aufhalten. „Bella?“
Sie drehte sich um und erstarrte vor Überraschung als sie sah wie nahe unsere Gesichter sich waren.
Auch ich war überwältigt von dieser Nähe. Die Hitze strömte in Wellen aus ihrem Körper und streichelte mein Gesicht. Ich konnte fast ihre seidige Haut spüren…
Ihr Herzschlag stotterte und ihr Mund klappte auf.
„Schlaf gut,“ flüsterte ich und lehnte mich zurück bevor das Verlangen meines Körpers – weder der bekannte Durst noch der neue und seltsame Hunger den ich plötzlich fühlte – mich dazu verleitete irgendetwas zu tun, dass sie verletzen könnte.
Sie saß noch einen Moment lang da, bewegungslos und mit geweiteten Augen. Geblendet vermutete ich.
Genau wie ich.
Sie fasste sich wieder – obwohl ihr Gesicht immer noch etwas verwirrt aussah – und fiel fast aus dem Auto während sie über ihre Füße stolperte und musste sich am Auto festhalten.
Ich kicherte – hoffentlich zu leise für sie um es zu hören.
Ich beobachtete wie sie den Weg entlang stolperte bis sie den Lichtkegel erreichte der die Eingangstür umgab. Sicher für diesen Moment. Und ich würde bald zurück sein um mich davon zu überzeugen.
Ich konnte spüren wie ihre Augen mir folgten, als ich die dunkle Straße hinunterfuhr. Das war eine ganz neue Erfahrung für mich. Normalerweise konnte ich mich selbst durch die folgenden Augen beobachten. Aber das hier war seltsam aufregend – dieses unfassbare Gefühle von Augen in meinem Rücken. Ich wusste dass es nur daran lag, dass es ihre Augen waren.
Eine Millionen Gedanken rasten durch meinen Kopf während ich ziellos durch die Nacht fuhr.
Ich kurvte lange durch die Straßen und dachte an Bella und die unglaubliche Erleichterung die ich verspürte, jetzt da die Wahrheit heraus war. Ich musste mir nicht länger Sorgen machen, dass sie herausfinden könnte, was ich war. Sie wusste es. Es war ihr egal. Obwohl es für sie offensichtlich etwas Schlechtes war, war es für mich unglaublich befreiend.
Aber noch viel mehr dachte ich über Bellas erwiderte Liebe nach. Sie konnte mich nicht genauso lieben, wie ich sie liebte – eine solche übermächtige, alles verzehrende, erdrückende Liebe würde vermutlich ihren zerbrechlichen Körper zerstören. Aber ihre Gefühle waren stark genug. Genug um die instinktive Angst zu besiegen. Genug um mit mir zusammen sein zu wollen. Und mit ihr zusammen zu sein, war die größte Freude, die ich je verspürt hatte.
Für eine Weile – während ich allein war und ausnahmsweise niemand anderen verletzte – erlaubte ich mir diese Freude zu empfinden ohne an die damit verbundene Tragödie zu denken. Ich war einfach nur glücklich, dass sie mich mochte. Ich jubelte über den Triumph, ihre Liebe gewonnen zu haben. Ich stellte mir vor wie wir Tag für Tag nebeneinander sitzen würden, wie ich ihre Stimme hören und sie zum lächeln bringen würde.
Ich wiederholte das Lächeln in meinen Gedanken, sah wie sich ihre vollen Lippen an den Mundwinkeln nach oben bogen, das angedeutete Grübchen, auf ihrem spitzen Kinn, wie ihre Augen warm wurden und schmolzen… Ihre Finger hatten sich heute so warm und sanft auf meiner Haut angefühlt. Ich stellte mir vor, wie sich die zarte Haut über ihren Wangenknochen anfühlen musste – seidig, warm… so zerbrechlich. Seid über Glas… beängstigend zerbrechlich.
Ich sah nicht wo meine Gedanken hinführten bis es zu spät war. Während ich auf dieser verheerenden Verwundbarkeit verweilte, störten andere Bilder ihres Gesichtes meine Fantasien.
Verloren in den Schatten, bleich vor Angst – und dennoch waren ihre Lippen zusammengepresst, ihre Augen fest entschlossen, voller Konzentration, ihr schmaler Körper gestrafft um die massigen Figuren zurückzuschlagen die um sie herum standen, Albträume in der Dunkelheit…
„Ah,“ stöhnte ich als der siedende Hass den ich vor lauter Freude über ihre Liebe vollkommen vergessen hatte, erneut in einem Inferno aus Wut über mich einstürzte.
Ich war allein. Bella war sicher zu Hause; für einen Moment war ich wahnsinnig erleichtert darüber dass Charlie Swan – der Kopf der örtlichen Gesetzeshüter, ausgebildet und bewaffnet – ihr Vater war. Das hatte etwas zu bedeuten, verschaffte ihr einen Unterschlupf.
Sie war in Sicherheit. Es würde nicht lange dauern, diese Beleidung zu rächen…
Nein. Sie verdiente etwas Besseres. Ich konnte es nicht zulassen, dass sie etwas für einen Mörder empfand.
Aber… was war mit den anderen?
Bella war in Sicherheit, ja. Angela und Jessica waren bestimmt auch sicher in ihren Betten.
Dennoch lief ein Monster frei herum in den Straßen von Port Angeles. Ein menschliches Monster – machte ihn das zu einem menschlichen Problem? Den Mord zu begehen nachdem es mich verlangte war falsch. Das wusste ich. Aber ihm die Möglichkeit zu lassen, wieder jemanden anzugreifen war auch nicht richtig.
Die blonde Hostess vom Restaurant. Die Kellnerin die ich nie wirklich angesehen hatte. Beide hatten mich auf lächerliche Weise genervt, aber deshalb verdienten sie noch lange keine Gefahr.
Jede von ihnen war vielleicht für irgendjemanden seine Bella.
Diese Erkenntnis ließ mich eine Entscheidung treffen.
Ich wendete den Wagen Richtung Norden und beschleunigte, nun da ich ein Ziel hatte. Wann immer ich ein Problem hatte, dass zu groß für mich war – etwas handfestes wie dieses hier – wusste ich wo ich Hilfe finden konnte.
Alice saß auf der Veranda und wartete auf mich. Ich hielt direkt vor dem Haus, statt zur Garage durch zu fahren.
„Carlisle ist in seinem Arbeitszimmer,“ sagte Alice bevor ich fragen konnte.
„Danke,“ sagte ich und wuschelte durch ihr Haar, als ich an ihr vorbeiging.
Danke dass du mich zurückgerufen hast, dachte sie sarkastisch.
„Oh,“ ich hielt vor der Tür inne und holte mein Handy aus der Tasche. „Tut mir leid. Ich hab nicht mal nachgesehen, wer es war. Ich war… beschäftigt.“
„Ja, ich weiß. Es tut mir auch leid. Als ich sah was passieren würde, warst du schon unterwegs.“
„Es war knapp,“ murmelte ich.
Tut mir leid, wiederholte sie beschämt.
Es war leicht gnädig zu sein, in dem Wissen, das es Bella gut ging. „Mach dir keine Sorgen. Ich weiß, dass du nicht auf alles achten kannst. Niemand erwartet von dir, dass du allwissend bist, Alice.“
„Danke.“
„Ich hätte dich heute Abend fast zum Essen eingeladen – hast du das gesehen bevor ich meine Meinung geändert habe?“
Sie grinste. „Nein, das habe ich auch verpasst. Ich wünschte ich hätte es gewusst. Ich wäre gekommen.“
„Worauf hast du dich denn konzentriert, dass du so viel verpasst hast?“
Jasper denkt über unseren Jahrestag nach. Sie lachte. Er versucht sich nicht für ein Geschenk zu entscheiden, aber ich glaube ich kann es mir ungefähr vorstellen…
„Du bist echt skrupellos.“
„Jap.“
Sie schürzte ihre Lippen und schaute zu mir auf mit einem leicht vorwurfsvollen Ausdruck. Später habe ich besser aufgepasst. Wirst du ihnen sagen, dass sie es weiß?
Ich seufzte. „Ja. Später.“
Ich werde nichts sagen. Tu mir einen Gefallen, und sag es Rosalie wenn ich nicht in der Nähe bin, okay?
Ich zuckte mit den Schultern. „Klar.“
Bella hat es ziemlich gut aufgenommen.
„Zu gut.“
Alice grinste mich an. Unterschätz Bella nicht.
Ich versuchte das Bild auszublenden, dass ich nicht sehen wollte – Bella und Alice, beste Freunde.
Ich seufzte schwer vor Ungeduld. Ich wollte den nächsten Teil des Abends schnell hinter mich bringen; Ich wollte, dass es vorbei war. Aber ich machte mir ein wenig Sorgen Forks zu verlassen…
„Alice…“ fing ich an. Sie sah was ich vor hatte zu fragen.
Heute Nacht wird ihr nichts passieren. Ich werde jetzt besser aufpassen. Sie braucht eine vierundzwanzig stündige Überwachung, nicht war?
„Mindestens.“
„Aber abgesehen davon wirst du bald wieder bei ihr sein.“
Ich atmete tief durch. Ihre Worte taten gut.
„Na los – bring es hinter dich, damit du da sein kannst wo du sein willst,“ sagte sie.
Ich nickte und eilte hinauf zu Carlisles Zimmer.
Er wartete bereits auf mich mit dem Blick auf die Tür geheftet, statt auf das dicke Buch das vor ihm lag.
„Ich hab gehört, dass Alice dir gesagt hat, wo du mich finden kannst,“ sagte er und lächelte.
Es war eine Erleichterung bei ihm zu sein, sein Einfühlungsvermögen und seine Intelligenz in seinen Augen zu sehen. Carlisle würde wissen, was zu tun ist.
„Ich brauche Hilfe.“
„Was immer du willst, Edward,“ versprach er.
„Hat Alice dir erzählt, was Bella heute Abend passiert ist?“
Was fast passiert ist, korrigierte er mich.
„Ja, fast. Ich hab ein Problem Carlisle. Weißt du, ich möchte ihn… wirklich sehr gern… töten.“ Die Worte kamen schnell und leidenschaftlich aus mir heraus. „So sehr. Aber ich weiß, das wäre falsch, denn es wäre Rache und keine Gerechtigkeit. Es wäre nur aus Zorn und nicht objektiv. Aber dennoch kann es nicht richtig sein, einen Triebtäter und Serienmörder frei in Port Angeles herumlaufen zu lassen! Ich kenne die Menschen dort nicht, aber ich kann auch nicht zulassen, dass jemand anderes Bellas Platz einnimmt. Diese andere Frau – jemand empfindet vielleicht genauso für sie, wie ich für Bella. Er würde genauso leiden wie ich gelitten hätte, wenn Bella verletzt worden wäre. Es ist nicht richtig…“
Sein breites unerwartetes Lächeln unterbrach den Fluss meiner Worte.
Sie tut dir sehr gut, nicht war? So viel Mitgefühl, so viel Selbstkontrolle. Ich bin beeindruckt.
„Ich bin nicht wegen Komplimenten hier, Carlisle.“
„Natürlich nicht. Aber ich kann nichts für meine Gedanken, nicht war?“ Er lächelte wieder. „Ich kümmere mich darum. Du kannst beruhigt sein. Niemand wird an Bellas Stelle verletzt werden.“
Ich sah den Plan in seinem Kopf. Es war nicht wirklich das was ich wollte, es stellte mein Verlangen nach Brutalität nicht zufrieden, aber ich wusste, dass es das Richtige war.
„Ich zeige dir wo du sie finden kannst,“ sagte ich.
„Dann lass uns gehen.“
Er hob seine schwarze Tasche im Vorbeigehen auf. Ich hätte einen Aggressiveren Weg bevorzugt – wie einen gespaltenen Schädel – aber ich würde es Carlisle auf seine Weise regeln lassen.
Wir nahmen meinen Wagen. Alice stand immer noch auf den Treppenstufen an der Veranda. Sie grinste und winkte als wir davonfuhren. Ich sah, was sie für uns vorhergesehen hatte, wir würden keine Schwierigkeiten haben.
Die Fahrt auf der dunklen leeren Straße war sehr kurz. Ich schaltete die Scheinwerfer nicht an um keine Aufmerksamkeit zu erregen. Ich musste lächeln bei dem Gedanken wie Bella auf diese Handlung reagiert hätte. Ich war bereits langsamer gefahren als sonst – um meine Zeit mit ihr zu verlängern – als sie sich beschwert hatte.
Carlisle dachte auch an Bella.
Ich hätte nicht gedacht, dass sie gut für ihn ist. So unerwartet. Vielleicht war es irgendwie Vorherbestimmt. Vielleicht dient es einem höheren Zweck. Außer…
Er stellte sich Bella mit schneeweißer Haut und blutroten Augen vor und verwarf die Vorstellung dann wieder.
Ja. Außer. Genau. Denn wie konnte irgendetwas gut daran sein etwas so Reines und Schönes zu zerstören?
Ich starrte finster in die Nacht, all die Freude der vergangen Stunde zerstört von seinen Gedanken.
Edward verdient es glücklich zu sein. Das Schicksal schuldet es ihm. Die Schärfe in Carlisles Gedanken überraschte mich. Es muss einen Weg geben.
Ich wünschte ich könnte es glauben – beides. Aber da war kein höherer Zweck in dem was Bella passierte. Nur eine bösartige Harpyie, ein hässliches, bitteres Verhängnis das es nicht ertragen konnte, Bella das Leben zu lassen, das sie verdiente.
Ich blieb nicht in Port Angeles. Ich brachte Carlisle zu der Spelunke wo die Kreatur namens Lonnie sein Enttäuschung mit seinen Kumpels mit Alkohol hinunterspülte – zwei von ihnen waren bereits gegangen. Carlisle konnte sehen wie schwer es für mich war, ihnen so nah zu sein – seine Gedanken zu sehen, seine Erinnerungen an Bella die vermischt waren mit anderen Mädchen die weniger Glück gehabt hatten und denen niemand mehr helfen konnte.
Mein Atem beschleunigte. Ich umklammerte das Lenkrad.
Geh, Edward, sagte er sanft. Ich sorge dafür dass keine von ihnen mehr in Gefahr sein wird. Geh zurück zu Bella.
Das war genau das richtige was er sagen konnte. Ihr Name war die einzige Ablenkung die etwas bei mir bewirkte.
Ich ließ ihn allein im Wagen und rannte geradewegs durch den schlafenden Wald zurück nach Forks. Es ging schneller als der Hinweg in dem rasenden Auto. Nur wenige Minuten später kletterte ich die Hauswand hinauf und schob ihr Fenster beiseite.
Ich seufzte leise vor Erleichterung. Alles war so wie es sein sollte. Bella lag sicher in ihrem Bett und träumte, ihre nassen Haare wie Seegras auf ihrem Kissen ausgebreitet.
Aber anders als in den anderen Nächten, lag sie zusammengerollt wie ein Ball da und hatte die Decke eng um ihre Schultern geschlungen. Vor Kälte, vermutete ich. Bevor ich mich auf meinen üblichen Platz setzen konnte, schüttelte sie sich im Schlaf und ihre Lippen bebten.
Ich dachte kurz nach und schlüpfte dann durch die Tür in den Flur hinaus um einen anderen Teil ihres Hauses zum ersten Mal zu erkunden.
Charlies Schnarchen war laut und gleichmäßig. Ich schnappte einen Bruchteil seines Traumes auf. Irgendetwas mit strömendem Wasser und geduldiger Erwartung… vielleicht angeln?
Da, am oberen Ende der Treppe war ein viel versprechend aussehender Schrank. Ich öffnete ihn hoffnungsvoll und fand wonach ich gesucht hatte. Ich nahm die am dicksten aussehende Decke von dem Stoffberg und brachte sie in ihr Zimmer. Ich würde sie zurückbringen bevor Bella aufwachte und niemand würde etwas merken.
Während ich meinen Atem anhielt breitete ich die Decke vorsichtig über ihr aus; sie reagierte nicht auf das zusätzliche Gewicht. Ich setzte mich wieder in den Schaukelstuhl.
Während ich gebannt darauf wartete, dass es ihr wärmer wurde, dachte ich an Carlisle und fragte mich, wo er wohl gerade war. Ich wusste, dass sein Plan aufgehen würde – Alice hatte es gesehen.
An meinen Vater zu denken brachte mich zum seufzen – Carlisle hatte zu viel Vertrauen in mich. Ich wünschte ich wäre die Person die er in mir sah. Die Person die Glück verdiente, die hoffen konnte, dieses schlafenden Mädchen wert zu sein. Wie viel anders die Dinge wären, wenn ich dieser Edward sein könnte.
Als ich darüber nachdachte, erfüllte ein seltsames Bild meine Gedanken.
Für einen Augenblick verwandelte sich das hexenhafte, verhängnisvolle Gesicht, dass sich nach Bellas Zerstörung sehnte, in das eines törichten und sorglosen Engels. Ein Schutzengel – irgendetwas das Carlisles Version von mir teilte. Mit einem achtlosen Lächeln auf den Lippen, seine himmelblauen Augen voller Übermut, gestaltete der Engel Bella auf eine Art und Weise in der ich sie nicht übersehen konnte. Ein lächerlich starker Duft, der meine Aufmerksamkeit forderte, ein stummer Geist der meine Neugierde entfachte, ein stille Schönheit die meine Augen auf sich zog, eine selbstlose Seele die meine Ehrfurcht verdiente. Ohne den natürlichen Selbsterhaltungstrieb – damit Bella es aushielt in meiner Nähe zu sein – und, letztlich, noch eine Priese erschreckend großes Pech.
Mit einem unerschrockenen Lachen, trieb der verantwortungslose Engel Bella in meine Arme und vertraute munter darauf, dass ich Bella trotz meiner fehlerhaften Moral am Leben ließ.
In dieser Vision war ich nicht Bellas Richterspruch; sie war meine Belohnung.
Ich schüttelte meinen Kopf über diesen verantwortungslosen Engel. Er war nicht besser als die Harpyie. Ich konnte eine höhere Macht die so gefährlich und dumm handelte nicht gut heißen. Dann lieber das hässliche Schicksal das ich bekämpfen konnte.
Und ich hatte keinen Engel. Sie waren für die Guten reserviert – für Menschen wie Bella. Also wo war ihr Engel die ganze Zeit? Wer wachte über sie?
Ich lachte leise, aufgeschreckt von der Erkenntnis, dass in diesem Moment ich diese Rolle einnahm.
Ein Vampir-Engel.
Nach ungefähr einer halben Stunde rollte Bella sich entspannt auseinander. Sie atmete tiefer und begann zu murmeln. Ich lächelte zufrieden. Es war nur eine kleine Sache, aber immerhin schlief sie in dieser Nacht besser, weil ich hier war.
„Edward,“ seufzte sie und lächelte auch.
Für diesen Moment schob ich alles Unheil beiseite und war einfach nur glücklich.

And so the Lion fell in love with the Lamb!

 Sprung  
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